Lösungsansätze statt Musik produzieren
Die Herausforderungen sind riesig – auf wirtschaftlicher, wie auch auf sozialer und ökologischer Ebene. Darüber kann man mit dem neue Factory-CIO und dreifachen Vater stundenlang diskutieren. Dem Co-Gründer der Factory Berlin,Udo Schloemer, ging es da nicht anders. Schnell wurde den beiden klar, dass nur reden einfach nicht reicht. Kurzerhand beschlossen sie, dass Eyerer nun die Verantwortung auf sich nehmen soll, statt Musik nun zusätzlich auch Lösungsansätze zu produzieren.
Dazu holte sich der ehemalige DJ erstmal ein Mischpult ins neu gebaute Creators Lab. Hier arbeiten in Zukunft zwischen Malern, Musikern und allen möglichen Künstlern auch Community Mitglieder an Tech-Projekten. Außerdem gibt es eine Küche. Das war Eyerer wichtig: „Hier kann man sich sich bei der Zubereitung kreativer Gerichte erstmal kennenzulernen.”
Ein schwarzer Sportmatten-Boden im vorderen Teil der Halle, lädt zum körperlichen Ausgleich nach der geistigen Verausgabung. Ansonsten ist die Halle im Erdgeschoss des Factory-Gebäudes an der Görlitzer Straße, in der bis vor kurzem E-Bikes produziert wurden, selbst noch in der Transformation. Im Grunde ein perfekter Hintergrund für Kunst und Ideen.
Gemeinsam mit Sonar+D aus Barcelona wird Mitte September bereits die Entscheidung für die ersten Artists in Residence fallen. Ein spannendes Konzept, auch deshalb, weil damit das Spannungsfeld der Gentrification von urbanen Räumen auf den Kopf gestellt wird. Egal ob in Brooklyn, Berlin oder in anderen Großstädten, bisher war die Entwicklung immer die gleiche: Künstler und Musiker erschlossen die vergessenen Randbereiche, in denen dank niedriger Mieten noch Raum war für kreative Lebenskonzepte. Dann kam der Hype und die Geschäftswelt zog nach.
Community, Kreativität und Innovation
Der Creative Code soll anders funktionieren. Hier soll es – zumindest vorrangig – nicht ums Geschäfte machen gehen, sondern um Austausch, Community, Kreativität und Innovation. „Es ist wichtig, auch Spaß in dem zu finden, was man macht“, erklärt Martin Eyerer. „Gerade in unserer Zeit ist es essentiell diesen Kulturwandel nicht nur zu erkennen, sondern zu leben. Wir in der Factory Berlin können der Industrie dabei helfen, die Talente der nächsten Generation zu erreichen und zu verstehen. Dies wird in Zukunft nur durch Schaffung solcher diverser Arbeitswelten möglich.
Innovation und Fortschritt entsteht immer mehr auch durch interdisziplinären Austausch und nicht mehr ausschließlich durch Forschung und Entwicklung. Durch die stärker werdende Dominanz der Maschinen, die dieses Feld besetzen, rückt das kreative Momentum immer mehr in den Fokus wie es zu Zeiten eines Leonardo da Vinci schon einmal war.
Das Konzept von Creative Code wird aufgehen, wenn beim kollaborativen Ausprobieren tatsächlich neue Prozesse entstehen. Wenn Arbeitsmodelle entwickelt werden, die wegführen vom Hamsterrad des Kapitalismus – und hin zu einer diversen Community, die in ihrem Tun gemeinsam von den gleichen Werten und Zielen motiviert wird. Gleichzeitig müssen aber große Unternehmen den Wert der Inspirationen aus den Labs und Workshops des Creative Code für sich erkennen – und auch bezahlen.
Die Aufgabe des neuen CIOs ist es nun, sich im Spannungsfeld von monetären Umsatzzielen und idealistischen Bestrebungen zum perfekten Mix inspirieren zu lassen. Und wenn der Funke nicht gleich überspringt? Keine Sorge: Ein paar Hundert Lieblings-Scheiben seiner Plattensammlung hat sich Eyerer dann doch aufgehoben.