Im Interview

Researchgate-Gründer Ijad Madisch

02/02/2015
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Du hast vor einem Jahr Christian Vollmann als CSO ins Team geholt. Kommt Researchgate nun in die Phase, in der man Top-Senior-Level-Leute ins Team holen muss?

IJAD MADISCH: Ich will keine Schlaftabletten. Und Top-Senior-Level-Leute, wie Du sie nennst, sind das häufig. Über die Einstellung bei Researchgate entscheidet nicht, wie senior jemand ist. Christian ist erfahren, aber er hat viele Fähigkeiten, die ich noch mehr an ihm schätze als das. Bei uns kommt es bei neuen Mitarbeitern auf Skills und Soft-Skills an und darauf, ob man zum Team passt.

Wie funktioniert bei Euch der interne Wissenstransfer und wie hat er sich verändert?

IJAD MADISCH: Am Anfang hat es oft genügt, alle zu einem schnellen Meeting zusammenzurufen. Heute haben wir verschiedene Informationskanäle wie Team-, Sprint- und Standup-Meetings. Besonders gut finde ich unser System, in dem jeder alles einfach und transparent festhalten und nachlesen kann.

Seht Ihr Euch noch im riskanten Bereich?

IJAD MADISCH: Konstant. Das ist auch so ein Learning: Du bist immer im riskanten Bereich. Diese gesamte Szene ist so schnell, entsprechend schnell kann es passieren, dass jemand anderes etwas aufbaut und genau dasselbe tut, aber aus einem anderen Winkel kommt. Deswegen muss man immer hellwach bleiben, sich die Konkurrenten anschauen und auch das Establishment. Und du musst konstant innovativ bleiben, was nicht immer einfach ist. Ich versuche deshalb, die Leute aus ihrer Komfortzone herauszuholen, denn hier lauert eine Falle, in die Gründer immer wieder tappen: Wenn du denkst, dass es gut läuft und man deswegen nichts ändern sollte. Wenn mein CTO mir sagt, dass es gut läuft, bekomme ich einen Herzinfarkt und denke immer, dass es gleich gefährlich wird. Umgekehrt: Wenn er nervös ist, weiß ich, es läuft gut.

Gab es rückblickend gravierende Fehler oder Fehleinschätzungen?

IJAD MADISCH: Ich mache sicherlich jeden Tag Fehler, aber so lerne ich. Ich würde nichts anders machen.

Wie siehst Du Berlin als Standort?

IJAD MADISCH: Der Hunger, etwas Großes zu schaffen, ist hier sogar im Vergleich zum Silicon Valley einmalig. Dort haben viele schon einmal zum Erfolg eines großen Startups beigetragen. Hier ist das noch selten. Diese Energie plus die Kunst- und Kulturszene, die Kreativität bringt, machen Berlin zu einem guten Ort, ein Unternehmen zu gründen. Allerdings hatte ich hier – und in Deutschland generell – am Anfang Schwierigkeiten, Investoren zu finden. Alle haben immer nach dem Geldverdienen gefragt und nicht begriffen, dass die größere Aufgabe sein würde, zuerst die Wissenschaft von Grund auf zu verändern. Das ist allerdings ein Henne-Ei-Problem: Wo sich disruptive Startups niederlassen, findet man auch Investoren, die bereit sind, in sie zu investieren.

Noch ein paar persönliche Fragen. Gibt es für Dich Vorbilder, zu denen Du aufschaust?

IJAD MADISCH: Ich finde Google am beeindruckendsten. Das ist schon Hardcore, wie die seit so langer Zeit und in so unterschiedlichen Bereichen innovativ bleiben – sei es Mobile, Healthcare oder ein Auto, das selber fährt. Wenn man dagegen Unternehmen wie Facebook anschaut, dann denkt man: Ok, die machen jetzt also zum 70. Mal Messaging. Es wiederholt sich alles. Nicht so bei Google. Die übertragen ein Wir-Gefühl auf jeden Mitarbeiter, der dort arbeitet, und geben ihnen ausreichend Freiheit für Kreativität. Das ist beeindruckend.

In Deiner Dankesrede beim Gründerpreis hast Du betont, dass Dir Awards tendenziell egal sind.

IJAD MADISCH: Ich finde es zwiespältig. Warum einem Pferd, das schon fast auf der Ziellinie ist, noch einen Preis umhängen? Gebt den Preis doch lieber dem Pferd, das gerade gestolpert ist oder noch gar nicht gestartet ist, damit es loslaufen kann. Andererseits hat mir meine Schwägerin anschließend die Augen geöffnet und mir erklärt, dass man die damit verbundene Vorbildfunktion nicht vergessen darf. Für uns ändern Awards eigentlich nicht viel. Die Motivation und Energie holen wir uns jeden Tag aus dem, was wir tun. Wenn wir merken, dass man wirklich etwas bewegt – und zwar nicht nur hier, sondern in China, in den USA und in Afrika bei der Ebola-Krise. Da passieren Dinge, die ohne uns nicht passieren würden. Das spornt uns an.

Wahrscheinlich ist die nationale Bekanntheit ohnehin nicht so von Bedeutung für Euch, oder?

IJAD MADISCH: Das stimmt, wobei sie für das Recruiting sehr wichtig ist. Aber wenn Du Dir mal im Gegensatz zu deutschen Awards die Techcrunch Disrupt anschaust, dann gewinnen dort meistens die ganz jungen Startups. So was gibt es bei uns leider nicht.

Dafür gibt es bei uns die Höhle der Löwen.

IJAD MADISCH: Oh Gott, wie furchtbar! Ich habe die Sendung ein-, zweimal geschaut. Inhaltlich ist das schon fragwürdig, aber immerhin entsteht dort Interesse fürs Gründen. Diese ganzen Anteile, die dort verschachert werden, stehen ja in keinem Verhältnis zur Realität. Da werden Leute einfach über den Tisch gezogen.

Wie sieht es mit Deinen Zielen aus, beruflich und persönlich?

IJAD MADISCH: Ich möchte hier etwas aufbauen, das Impact hat. Wenn jemand sagt, dass er einen IPO machen möchte, dann sagt das ja nichts aus. Höchstens, dass du vielleicht ein paar Leute über den Tisch gezogen hast. Für mich ist es wichtig, dass Researchgate eine unabhängige Kraft in der Wissenschaft wird und dass wir in zehn Jahren immer noch da sind.

Das Gespräch führte Jan Thomas.

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