Tobias Seikel:

„Wenn wir merken, da geht was, handeln wir sehr schnell“

27/07/2017
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Tobias, Hanse Ventures ist ein Company Builder. Was genau baut ihr?

Tobias Seikel:Wir konzentrieren uns auf den Aufbau von Startups im Bereich Online und Mobile. Wir suchen nach attraktiven Marktsegmenten, also nach etwas, das andere noch nicht auf dem Schirm haben, nach Märkten, die noch nicht digitalisiert sind. Wenn wir das Thema – auch mit Experten – geprüft haben, suchen wir ein passendes Gründerteam und unterstützen es in allen Phasen beim Aufbau des Unternehmens. Wir haben bei uns knapp 25 Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen – Design und Programmierung, Produktmanagement, Online-Marketing, Business Intelligence, Service Center, Human Resources und PR. Hinzu kommt, dass wir die Finanzierung durch unsere Erfahrung und unser Netzwerk aus Investoren und Business Angels enorm beschleunigen und auf ein viel höheres Level heben können. Mit uns vermeidet man typische Fehler, die bei vielen Gründungen gemacht werden.

Was sind typische Fehler?

Tobias Seikel: Ein typischer Fehler ist, dass Gründer am Anfang versuchen, alles selbst zu machen. In der Regel ist nicht so viel Geld da, dass du dir sofort richtig gute Leute leisten kannst. Die brauchst du aber im Optimalfall, um sehr schnell eine Flughöhe zu erreichen, mit der du sichtbar wirst und dann auch Folgeinvestments einsammeln kannst. Wenn du als Gründer allein unterwegs bist, läufst du immer Gefahr, dich gnadenlos zu verzetteln. Das fängt schon mit der Kontoeröffnung an, geht über die Gründung beim Notar bis zu den ersten Einstellungsverträgen. In all diesen Bereichen und darüber hinaus versuchen wir, den Gründern den Rücken freizuhalten, sodass sie sich auf den Aufbau des Unternehmens konzentrieren können.

Wie viele Gründungen macht ihr pro Jahr?

Tobias Seikel:Es gibt keine feste Anzahl. Das hängt davon ab, wie viele Themen wir finden und wie viele wir dann auch ressourcentechnisch umsetzen können. Über die sieben Jahre unseres Bestehens haben wir im Schnitt drei Gründungen pro Jahr angeschoben. Es können aber mit der Plattform, die wir mittlerweile aufgebaut haben, künftig sicherlich auch noch ein paar mehr sein. Allerdings ist unser Gründungsansatz sehr beratungsintensiv, und irgendwann kommen auch wir vier Geschäftsführer an unsere Grenzen. Die Frage ist dann immer, wie viel Zeit für die Betreuung du dann noch hast. Wir werden besonders intensiv in den ersten zwei, drei Jahren gebraucht, danach sind die Teams schon sehr autonom unterwegs – siehe Rebelle, Pflege.de oder Toptranslation.

„Über die sieben Jahre unseres Bestehens haben wir im Schnitt drei Gründungen pro Jahr angeschoben“

Ihr seid also ein Seed-Investor?

Tobias Seikel:Wir sind ein institutioneller Co-Gründer und machen sogar Pre-Seed, weil wir die Geschäftsideen ja selbst aussuchen. Wir schauen uns etwa tausend Ideen im Jahr an. Die meisten fallen schon in der ersten Phase heraus. Vielleicht 30 bis 40 Ideen sehen wir uns genauer an. Bei den besten nehmen wir Marketing-Budget in die Hand und testen intensiver. Wenn die Zahlen unsere Hypothese belegen, legen wir los. Die Kosten einer solchen Testing-Phase übernehmen auch stets wir.

Wie groß sind die Tickets, die ihr schreibt?

Tobias Seikel:Hanse Ventures investiert am Anfang nicht mehr als 250.000 Euro. Das hängt aber immer auch vom Kapitalbedarf ab und davon, wie viele Leute in so einer Runde mitmachen, beziehungsweise auch davon, wie viele Köpfe sinnvollerweise dabei sein sollten. Typischerweise haben wir es sehr gerne, dass wir uns Branchenexperten als Beirat oder sogar als Investoren sichern. Das öffnet meistens Türen und bringt uns Expertise auf dem jeweiligen Feld. Häufig liegen die ersten Finanzierungsrunden unserer Startups zwischen 500.000 und einer Million Euro.

Wie groß ist euer Anteil, den ihr am Anfang nehmt?

Tobias Seikel: Das ist in der Tat verschieden und hängt davon ab: Wer sitzt da mit uns am Tisch, was für Gründer kommen da, was bringen sie mit? Von wem kommt die Idee? Wer bringt wichtige Kontakte oder gegebenenfalls auch schon den ersten Investor mit? Als ganz allgemeine Faustformel: Das Verhältnis liegt ungefähr bei zwei Dritteln zu unseren Gunsten und einem Drittel zu Gunsten des Gründerteams.

Das ist ein hoher Anteil für euch.

Tobias Seikel:In einzelnen Fällen kann das auch abweichen. Es hängt von dem Gesamtpaket ab. Die Besonderheit bei uns ist ja, dass du bei uns gründen kannst, gleich ein fixes Gehalt beziehst und sämtliche Unterstützung abrufen kannst. Wenn du als Gründer deine Anteile optimieren willst und auf Gehalt verzichtest oder sogar selbst investierst, kann das Verhältnis auch anders aussehen. Das ist Verhandlungssache. In jedem Falle suchen wir stets und laufend Gründer, die sich einen erfahrenen Partner an der Seite wünschen und den Mehrwert, den dieser mitbringt, zu schätzen wissen.

Alles im Blick: Die Dachterrasse von Hanse Ventures mit der Elbphilharmonie im Hintergrund (Foto: Hanse Ventures)

Die neuen Gründungen ziehen dann erst mal bei euch ein?

Tobias Seikel:Das ist kein Muss, aber eine Empfehlung von uns. So können die Gründer alle unsere Ressourcen nutzen. Wir haben Flächen im siebten und im ersten Stock, und aus Erfahrung sagen wir den Neugründern, sie sollten eigentlich immer direkt neben dem Hanse-Ventures-Raum sitzen. So können wir auf Zuruf helfen. Aber manchmal geht das schlicht nicht. Im Fall von Rebelle, die mit Second-Hand-Designermode handeln, war schnell klar: Die brauchen ein Lager. Also haben sie mit unserer Hilfe in den umliegenden Gebäuden etwas gesucht und gefunden.

„in Hamburg schlummert noch sehr, sehr viel Kapital. Ich denke da auch an das alte Hamburger Geld“

Welche Branchen interessieren euch besonders?

Tobias Seikel: Das ist schwer zu sagen, denn wir sind recht opportunistisch. Wenn wir das Gefühl haben, da geht etwas, dann handeln wir sehr schnell. Umgedreht heißt das, wenn sich jetzt alle auf Fintech stürzen, müssen wir das eben nicht unbedingt tun – es sei denn, wir finden ein Thema, an das wir glauben, dann würden wir auch Fintech machen. Wir sind nicht abhängig oder getrieben von irgendwem, sondern entscheiden danach, wo wir Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten sehen.

Wenn ihr die Startups am liebsten bei euch auf der Etage habt, bedeutet das, ihr macht nur Hamburger Startups?

Tobias Seikel:Nein, das ist nur die Empfehlung und ein Angebot von uns. Wir hatten Startups, die in Berlin saßen, und das hat auch prima funktioniert. Aber du merkst, dass die Abstimmungsintensität noch größer ist, wenn sie bei uns sitzen. Und das ist allen immer ganz lieb – und den Investoren auch.

Die Geschäftsleitung (v. l.): Tobias Seikel (Partner), Jochen Maaß (CEO und Gründer), Marvin D. Andrä (Partner) (Foto: Hanse Ventures) Die Geschäftsleitung (v. l.): Tobias Seikel (Partner), Jochen Maaß (CEO und Gründer), Marvin D. Andrä (Partner) (Foto: Hanse Ventures)

Wie einfach ist es, ausländische Investoren für Hamburger Startups zu begeistern?

Tobias Seikel:Bei Privatpersonen ist es gar nicht so schwierig, da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Die großen VCs sind sicherlich noch eine Herausforderung für uns. Die haben Hamburg jetzt noch nicht groß auf der Karte.

Ist Hamburg ein guter Ort zum Gründen?

Tobias Seikel: Jetzt kommen wir auf diesen gefährlichen Vergleich: Hamburg, Berlin und andere Städte.

Ja, genau.

Tobias Seikel: Wir fühlen uns hier sehr wohl und wir haben fast alles, was wir brauchen. Und trotzdem gibt es noch viel Verbesserungsbedarf. Wir könnten zum Beispiel einen staatlichen Fonds, wie Berlin ihn hat, sehr gut gebrauchen. Wir sind bisher zwar auch ohne Fördermittel ausgekommen, aber mir geht es um die Bereitschaft der Politik, einen Hebel anzusetzen, der der gesamten Branche helfen würde und damit auch Hamburg. Das wäre super. Es würde auch viel Aufmerksamkeit auf das Thema Startups lenken. An der Sichtbarkeit der Hamburger Startups müssen wir zudem auch noch arbeiten.

Was sind denn Hamburgs Stärken?

Tobias Seikel: Die Szene ist hier sehr konzentriert, auch in der Arbeit. Es gibt hier nicht jeden Abend sieben Veranstaltungen, die du als Gründer besuchen kannst, sondern eher zwei. Die Leute kennen sich untereinander. Und in Hamburg schlummert noch sehr, sehr viel Kapital. Ich denke da auch an das alte Hamburger Geld. Es ist immer noch ein Ziel von mir, dort Interesse für Investitionen in Startups zu wecken, das wäre toll.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

TOBIAS SEIKEL

Tobias Seikel ist Partner bei Hanse Ventures. Er verantwortet die operative Führung und das Projektmanagement zwischen dem Company Builder und den Portfolio-Unternehmen. Bevor der Diplomkaufmann 2011 zu Hanse Ventures kam, war er stellvertretender Verlagsleiter des Nachrichtenmagazins Stern und Verlagsleiter des Kunstmagazins Art.

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