Joe, am 29. März wollen die Briten den Antrag für den EU-Austritt einreichen. Was für Konsequenzen ergeben sich daraus für Eure Investment-Firma Isomer Capital?
Joe Schorge: Wir sitzen in London, daher ist das für uns definitiv ein Problem. Es ist eine große Errungenschaft der EU, dass sich talentierte Arbeitskräfte frei bewegen können. Mit der Zeit ist das zur Selbstverständlichkeit geworden – und das ist großartig. Ein Unternehmen in Stockholm kann einfach Leute aus Deutschland oder England anheuern. Jetzt drohen uns Briten neue Barrieren. Und die sind schädlich.
Könnten sich Startups im Königreich nach dem Brexit schwerer tun, Kapital einzusammeln?
Joe Schorge:In dieser Hinsicht bin ich eigentlich nicht beunruhigt. Wir haben im Vereinten Königreich mehr Kapital als in anderen Ländern Europas. Auch für den Fluss an Ideen und die Verbundenheit mit dem Gründerdasein sehe ich daher zunächst einmal keine tiefgehenden Folgen.
Wird der gesamte europäische Markt nach dem EU-Austritt der Briten uninteressanter für Investoren?
Joe Schorge:Auf keinen Fall. Es ist ein ganz wichtiger Trend, dass immer mehr nichteuropäische Investoren in europäische Unternehmen investieren. Und das wird sich auch nicht umkehren. Mittlerweile haben die meisten Leute verstanden, dass Spotify nicht aus den USA kommt. Mittlerweile gibt es viele Amerikaner, viele institutionelle Anleger, die den Erfolg europäischer Unternehmen sehen.
Bedeutet: Die Preise für Startups werden auf unserer Seite des Atlantiks steigen…
Joe Schorge:Das ist sehr wahrscheinlich. In der Vergangenheit sind sie schon ein bisschen gestiegen – und dennoch liegen die Preise in der Early Stage noch 50 bis 70 Prozent niedriger als in den USA. Europa ist wirklich unterfinanziert.
Woran machst Du das fest?
Joe Schorge:In den USA und in Europa werden in jedem Jahr ungefähr die gleiche Anzahl an Unternehmen gegründet. In den USA gibt es aber fünfmal so viel Kapital wie bei uns. Wenn alle europäischen VCs ihre Fonds über Nacht verdoppeln würden, wäre das vollkommen in Ordnung – und vielmehr gesund für das gesamte System. Grundsätzlich ist es doch in Europa so: Wir brauchen gute Gründer – und die haben wir auch. Wir brauchen ein florierendes Ökosystem aus Anbietern und Investoren – und auch das haben wir. Aber zu guter Letzt brauchst du auch noch ausreichend Kapital – und daran hakt es noch.
„Europas Startups müssen der Welt mit aller Macht klarmachen: Wir bauen Milliarden-Unternehmen schneller als je zuvor! Und ihr Investoren habt Zugriff auf sie.“
Was sind die Gründe dafür?
Joe Schorge:Genug Geld ist auf der Welt definitiv vorhanden. Aber die Leute verstehen zumindest teilweise noch immer nicht, was hier genau passiert. Das merke ich in Meetings mit Kollegen aus Übersee immer wieder. Europas Startups müssen der Welt mit aller Macht klarmachen: Wir bauen Milliarden-Unternehmen schneller als je zuvor! Und ihr Investoren habt Zugriff auf sie. Versuch mal, ein US-Unternehmen frühzeitig zu bekommen. Das ist gerade für VCs, die noch nicht so lange in der Branche aktiv sind, schwer. Europa ist da offener, einladender.
Und an der Stelle setzt Isomer Capital an.
Joe Schorge:Genau. Ich habe die Firma 2015 gegründet. Wir sind eine Investment-Company mit Fokus auf europäischen Technologie-Startups – hauptsächlich in der Early Stage. Wir investieren in VC-Fonds und beteiligen uns als Mitinvestor auch direkt an Unternehmen. Wir stecken Geld in Wagniskapital-Fonds und haben auch ein kleines Gründer-Budget, mit dem wir jungen Unternehmen helfen, finanzielle Durststrecken zu überbrücken oder sich von Angel-Investoren unabhängig zu machen.
Das klingt sehr breit gestreut. Wo liegt Euer Fokus?
Joe Schorge:Der liegt nicht auf der Struktur der Investition. Sondern auf dem frühen Zugang. Unser erklärtes Ziel ist es, Europas spannendste Jungunternehmen zu finden. Unseren großen Vorteil sehe ich in unserem Netzwerk, das wirklich außergewöhnlich ist: Mit unseren Partnern haben wir Augen und Ohren auf den Straßen von Berlin, Stockholm, Paris und anderen europäischen Großstädten.
Ausgezahlt hat sich das in Eurem Fall beispielsweise bei Deliveroo.
Joe Schorge:Richtig. Wir haben damals mit einem spannenden, neuen VC zusammengearbeitet, der Deliveroo in einer frühen Phase unterstützt hat. Damals ist der CEO noch selber durch die Stadt geradelt und hat das Essen von Restaurants an die Kunden ausgeliefert. Inzwischen hat Deliveroo nach meinem letzten Stand fast 13.000 Fahrer und ist weltweit in 84 Städten aktiv. Das Unternehmen ist jetzt mehr als eine Milliarde Dollar wert. Es ist ein Beispiel das zeigt, wie schnell es gehen kann. Und wie wichtig es ist, frühzeitig zur Stelle zu sein. Wenn du zu spät bist, kannst du nicht mehr – oder nur zu einem sehr hohen Preis – mitspielen.
Wie finanziert sich Isomer Capital?
Joe Schorge:Wir sammeln gerade Geld ein, mit dem wir einen Fonds auflegen. Unsere Zielgruppe sind dabei institutionlle Investoren, wie Pensionsfonds, Family Offices, aber auch Unternehmer. Und das Geld bekommen wir, weil wir bewiesen haben, dass wir sehr schnell Profite einfahren können.
„Ich sehe brillante Entwickler, die bei der Vermarktung der Technologie schockierend unterentwickelt sind.“
Wie hoch ist Eure Return Rate?
Joe Schorge:Wir hatten zwar bereits ein paar Exits, aber die meisten Unternehmen in unserem Portfolio entwickeln sich noch. Daher ist es noch etwas früh, über das Thema zu sprechen. Unser Ziel ist allerdings eine Verdreifachung. Das mag in manchen Fällen etwas hoch gegriffen erscheinen. Aber Wagniskapital ist risikobehaftet und man muss stark diversifizieren. Weil wir genau das tun, erkennen wir schnell, wenn an einer Stelle Verluste ins Haus stehen. In dem Fall minimieren wir unser Kapital und stecken das in die Gewinner.
Auf welchen Punkt achtet Ihr vor einer möglichen Investition in ein Startup ganz besonders?
Joe Schorge:Mittlerweile braucht es nicht mehr viel Geld, um etwas auf die Beine zu stellen und das Produkt an den ersten Kunden zu testen. Ich mag es, wenn Gründer diesen Schritt bereits gemacht haben und dann mit den Erfahrungswerten zu uns kommen. Als VC können wir fragen, was sie gelernt haben, wie sie die Strategie angepasst haben und welche Art von Kapital sie brauchen. Das ist deutlich besser, als wenn sich jemand mit einer Power-Point-Präsentation hinstellt und bei Investoren um Geld bittet.
Grundsätzlich seid Ihr ja sehr überzeugt vom europäischen Markt. Gibt es dennoch Punkte, die sich Europa von den USA abschauen kann?
Joe Schorge:Schon alleine aus historischer Sicht hat Europa bei der Kommerzialisierung der Technologie Schwächen. Universitäten mit Business-fokussierten Fachgebieten sollten mit technologisch ausgerichteten Universitäten zusammenarbeiten, um Innovationen zu patentieren, zu publizieren und schließlich in die Hände kommerzieller Unternehmen zu legen. Das würde dem gesamten Markt nutzen. Meine Empfehlung: Hört auf, nur daheim zu sitzen! Es ist kein Geheimnis, wie das Modell funktioniert – aber man muss eben hingehen und lernen.
Ihr seid auf vielen Technik-Events unterwegs …
Joe Schorge:… und ich sehe dabei brillante Entwickler, die bei der Vermarktung der Technologie schockierend unterentwickelt sind. Die wissen überhaupt nicht, was sie da haben. Da sind kleine Diamanten – und niemand baut sie ab. Sie haben nicht mal eine Schaufel.
Das Interview führte Corinna Visser.
JOE SCHORGE
Joe Schorge ist Gründer und Managing Partner bei Isomer Capital. Zuvor war er als Berater von institutionellen Investoren bei Cambridge Associates tätig und hat als Managing Director die Geschäftsentwicklung von Pomona Capital vorangetrieben. Joe hat Elektro- und Computertechnik an der Universität von Massachusetts studiert sowie einen MBA von der London Business School erworben.