Florian, als Du b-to-v mitgegründet hast, warst Du noch im Studium. Wie kam es dazu?
FLORIAN SCHWEITZER: Die Gründung der BrainsToVentures AG liegt knapp 15 Jahre zurück. Damals war ich im siebten Semester und hatte zuvor mit Freunden eine studentische Organisation, das START-Forum, aufgebaut. In diesem Rahmen hatten wir eigene Konferenzen zu Entrepreneurship und Venture Capital organisiert. Im März 2000 haben mich dann fünf Business Angels angefragt, in welche Startups sie investieren sollten. Dadurch kam uns die Idee einer Plattform, die Angels mit Startups vernetzt. Es folgte eine eigene Sendung auf n-tv, durch die wir einen unglaublichen Dealflow von 20 bis 30 Projekten pro Woche hatten. Nach einem Jahr hatten wir 30 Mitarbeiter und schon 2 Millionen Euro Venture Capital verbrannt. Doch das Timing war schwierig. Wir sind gestartet, als der Neue Markt zurückging. Und wir wussten, wenn wir so weitermachen wie bisher, ist nach drei Monaten Schluss.
Wie ging es dann weiter?
FLORIAN SCHWEITZER: Wir haben überlegt, was unsere Assets sind, und haben aus unserer Plattform eine Human-Resources-Software gebaut – der Beginn der Firma Umantis, die vor zwei Jahren verkauft wurde. Für mich war das aber nichts. Schließlich war ich nicht angetreten, um Software zu entwickeln und zu vertreiben, sondern um etwas mit Business Angels zu machen. Ich habe daraufhin mit b-to-v eine Servicefirma für Angels aufgebaut. Nicht gerade einfach. Wir waren ja beide erst 27 Jahre alt und hatten eigentlich keine Ahnung. Und im Jahr 2001 irgendwelche Angels zu überzeugen, uns Geld zu geben, damit wir ihnen gute Startups zeigen, war – gelinde gesagt – schwierig. Bis 2003 haben wir irgendwie überlebt und gearbeitet wie die Blöden. Wir haben aus einer Unmenge vieler Anfragen Deals ausgewählt, diese eins zu eins Angel Investoren zugetragen, und wenn jemand investiert hat, haben wir 5 Prozent bekommen. Das war der Anfang.
Und heute?
FLORIAN SCHWEITZER: Heute sind wir 16 Leute in St. Gallen und Berlin. Wir sind in drei Teams organisiert, davon zwei Investment-Teams, eines mit Fokus auf Advanced Technology, also Life Sciences und energiebezogene Themen, und eines mit Schwerpunkt Online und Mobile. Und dann gibt es noch den Service-Bereich für die Angels mit regelmäßigen Events in der DACH-Region [Deutschland, Österreich und Schweiz, Anm. d. Red.].
Ihr seid anders aufgebaut als ein klassischer Investor. Was unterscheidet Euch von anderen?
FLORIAN SCHWEITZER: Unsere Investoren sind in konzentrischen Kreisen organisiert: In der Mitte sind die 70 Investoren von b-to-v, die auf Empfehlung reinkommen. Das sind Persönlichkeiten, die sich sehr gut kennen, einen unternehmerischen Werdegang haben und obendrein sehr sympathisch sind. Aus dieser Gruppe kommt der für b-to-v wichtigste Dealflow. Wer Teil dieses inneren Kreises werden will, muss sich klassisch bewerben, und jedes einzelne Mitglied hat ein Veto-Recht. Stimmt auch nur eines gegen eine Aufnahme, wird der Antrag abgelehnt. Umgekehrt muss ein Neueinsteiger eine Eintrittsgebühr von 10.000 Euro zahlen, um zu zeigen, dass er es ernst meint. Die Hürde, in unseren Investorenkreis aufgenommen zu werden, ist sehr hoch, und wir möchten sie noch weiter verschärfen. Hinzu kommt der äußere Kreis mit etwa 200 Investoren, die Deals auf Deal-Basis vorgelegt bekommen und dann entscheiden, ob sie mitmachen wollen, oder aber sie investieren in unsere Fonds.
Wie sieht Eure Aufgabe dabei aus?
FLORIAN SCHWEITZER: Wir sondieren die Deals, die bei uns eingereicht werden. Das sind mehr als 2500 im Jahr. Davon reichen wir ein bis anderthalb Prozent an unser Netzwerk weiter. Zeitgleich haben wir einen eigenen Fonds, der als eigenständiger Investor agiert. Und wenn wir einen Deal machen, gibt es verschiedene Konstellationen: Entweder b-to-v geht in den Lead und auch ins Board oder einer der aktiven b-to-v-Investoren übernimmt das. Dadurch können wir sehr viel Early Stage machen, denn unsere Limitierung ist nicht das Geld, sondern die Zeit.
Ich habe gelesen, Ihr habt pro Jahr circa 20 Deals. Wenn Ihr von 3000 Deals etwa 30 bis 50 Deals an Euer Netzwerk spielt, habt Ihr eine relativ hohe Abschlussquote. Wenn das stimmt, würde das ja für Eure Vorauswahl sprechen.
FLORIAN SCHWEITZER: Ja, das stimmt. In der Regel treffen wir mindestens zwei Unternehmer-Teams pro Woche. Das allein ist schon Knochenarbeit.
Der Investor Stefan Glänzer hat mal gesagt, er sei ein professioneller Neinsager. Darin liegt eine gewisse Tragik. Für Gründer ist ein Investorengespräch schließlich mit viel Hoffnung verbunden.
FLORIAN SCHWEITZER: Absolut. Ich hätte eigentlich in jedem zweiten Meeting Lust, das Team zu unterstützen, weil die Typen saugut sind und für ihre Sache brennen. Deswegen ist das Absagen alles andere als schön. Aber nicht immer: Manchmal hilft man den Gründern damit auch und kann sie in eine neue Richtung lenken, wenn ihr Startup zum Beispiel auf einer Idee basiert, die wenig Chancen auf dem Markt hat, oder wir knüpfen den einen oder anderen Kontakt für sie.
Wenn bei Euch nur ein Prozent durchkommt, was machen die übrigen 99 Prozent falsch?
FLORIAN SCHWEITZER: Wir haben wahrscheinlich einmal pro Woche einen Lacher dabei. Zum Beispiel einen Businessplan, in dem steht, was die einzelne Aktie kostet, dass die Firmenbewertung bei 47 Millionen Euro liegt und der Gründer ein halbes Jahr auf Gehalt verzichtet hat und so weiter. Oder auch sehr typisch: Lösungsangebote für Probleme, die keine sind. Und die klassischen Goldman-Sachs-Ideen von Investmentbankern, die keine mehr sein wollen, das eigene Risiko aber scheuen. Wenn die dann eine Seed-Finanzierung von fünf Millionen Euro holen wollen, denke ich mir, wie arrogant muss man eigentlich sein.
„Natürlich kann man über die Samwers denken, wie man möchte, aber für Berlin ist Zalando wahnsinnig wichtig.“
Gibt es andersherum Unternehmen, in die Du beinahe investiert hättest, der Deal aber nicht zu Stande gekommen ist?
FLORIAN SCHWEITZER: Natürlich gibt es die. Eine Geschichte aber ist die härteste: Vor ein paar Jahren waren wir mit etwa 25 unserer Investoren für ein paar Tage im Silicon Valley. Dani Gutenberg, einer der besten Angel Investoren Europas und enger b-to-v-Investor erzählte im Vorfeld von einer Firma, die wir uns anschauen sollten. Aber der Gründer reagierte erst auf unsere Anfrage, als wir schon drüben waren – mit einem randvollen Fünf-Tage-Programm. Wir hatten Termine mit 50 Startups und über 100 Investoren. Wir haben einen ganzen Abend mit dem legendären Sequoia Capital Partner Michael Moritz verbracht, haben uns mit dem CFO von Zynga kurz vor dem Börsengang getroffen und waren mit dem Twitter-Gründer Jack Dorsey verabredet, der uns noch vor Sequoia Capital Square präsentiert hat. Dass wir da nicht eingestiegen sind, war schon doof, aber jetzt kommt es richtig hart: Irgendwann meldete sich besagter Gründer, um uns zu treffen, woraufhin meine Mitarbeiterin ihm beinahe abgesagt hätte. Aber der Gründer überredete sie, ihn während einer halbstündigen Busfahrt präsentieren zu lassen. Eigentlich hätte er allein dafür schon einen Extrabonus erhalten müssen. Er hat dann wirklich im Bus über eines der Busmikrofone sein Startup vorgestellt. Und seinen Service konnten wir vor Ort auch gleich testen. Aber leider hatten wir während dieser paar Tage im Silicon Valley so viel gemacht, dass es nicht zu einem sauberen Follow-up kam – das passiert mir nie wieder. Hast Du eine Ahnung, um wen es geht?
Ich bin gespannt!
FLORIAN SCHWEITZER: Uber. Es ging um eine Seed-Runde für Uber! Das ist die erfolgreichste Firma der letzten vier Jahre! So etwas ist natürlich brutal. Aber man kann der Story auch etwas Positives abgewinnen, nämlich, dass wir selbst als völlig naive, europäische Touristen in der Lage waren, an den sagenhaftesten Deal der Welt heranzukommen und diesen sogar auf einem Silbertablett serviert bekamen. Natürlich wäre b-to-v heute eine ganz andere Firma, wenn wir diesen Deal gemacht hätten. Vieles wäre einfacher und vor allem wären wir die Stars in Europa, die im Silicon Valley auf Augenhöhe mit den „Big Guys“ reden. Doch am Ende des Tages hätte sich für mich persönlich nichts geändert. Ich kann trotzdem mit meiner Familie in den Urlaub fahren, und die Arbeit, die ich tue, wäre auch mit diesem Deal exakt dieselbe geblieben. Die Erfahrung hat mich aber demütiger gemacht.
Es wirkt, als wärst Du trotz solcher vermeintlichen Niederlagen nicht unzufrieden.
FLORIAN SCHWEITZER: Die Gefahr ist da, an seiner Arbeit zu verbittern. Aber es hilft ja nichts, man muss sich auf die Zukunft fokussieren. Neulich hat mir jemand, der viel mit Nobelpreisträgern zu tun hat, erzählt, dass das Forschen ein Geschäft ist, bei dem man ständig schöpft und schöpft, und irgendwann kommt der große Wurf und der Nobelpreis ist da. Beim Venture-Geschäft ist das ähnlich und wir Investoren haben sogar das Glück, dass wir mit jedem Deal und jedem Tag erfahrener werden. Deshalb freue ich mich auf die nächsten 40 Jahre.
Thema Corporates: Ich war etwas verwundert, dass T-Venture offensichtlich seine Aktivitäten in Deutschland zurückfährt und sie im Valley scheinbar ausbaut. Wie siehst Du das?
FLORIAN SCHWEITZER: Wir Europäer können, dürfen und müssen jetzt endlich mal Selbstbewusstsein entwickeln. Natürlich kann man über die Samwers denken, wie man möchte, aber für Berlin ist Zalando wahnsinnig wichtig. Innerhalb kürzester Zeit ist das eine Milliarden-Company geworden. Es wird in den nächsten Jahren ein eigenes Ökosystem Zalando geben, das macht Zalando wichtiger als Rocket Internet. Da werden Firmen reingemerged und vermögende Leute rausgehen. Das ist die Chance auf eine PayPal-Gang in Berlin. Und insbesondere im Bereich Fintech hat die Achse London – Berlin – Zürich eine gewaltige Chance.
Ihr habt in den Limousinen-Service Blacklane investiert. War das quasi die Konsequenz aus dem Uber-Desaster?
FLORIAN SCHWEITZER: Allerdings. Nachdem wir das so grandios verpennt hatten, haben wir zugesehen, dass wir hier in Europa das vielversprechendste Team finden. Das ist uns zusammen mit Jochen [Gutbrod, Anm. d. Red.] als Lead Investor bei Blacklane gelungen. Tolle Company.
Und Qype? Wie sieht man so etwas rückblickend?
FLORIAN SCHWEITZER: Wenn ich mir überlege, wie viel Energie unsere Angels in Qype gesteckt haben, finde ich das einfach nur schade. Aber jeder Deal hat seine Learnings.
Ihr plant gerade eine neue Tochterfirma: Manage-YourDeal. Was habt Ihr mit der Plattform vor?
FLORIAN SCHWEITZER: Ursprünglich hatten wir die Plattform für uns gebaut, um unsere eigenen Syndizierungsprozesse online abzubilden. Wir wollten mehr als nur reines Match-Making und den Austausch von Adressen. Wir wollten ein richtiges Prozess-Management-Tool für einzelne Runden, das dabei hilft, die Beteiligungen auch anschließend weiter zu managen. Es ist doch völlig absurd, dass zwanzig Aktionäre einer Firma die Unterlagen, wie Cap Table und Beteiligungsvertrag, separat abspeichern, statt alles einfach in die Cloud zu packen. Und damit das auch gut funktioniert, haben wir Features wie Reporting eingebaut. Diese Plattform öffnen wir auch für andere als SAAS [Software as a Service, Anm. d. Red.]. Deshalb gliedern wir die Plattform als Tochterfirma aus.
Ein Blick in die Zukunft: Wo siehst Du Euch in zwei, drei Jahren?
FLORIAN SCHWEITZER: Für b-to-v werden wir in zwei Jahren zwei getrennte Fonds managen. Das, was wir heute noch in einem Fonds haben, wird spezialisiert – vergleichbar mit Earlybird oder Wellington. Und für ManageYourDeal lässt sich schwer eine Prognose treffen. Im Worst Case bleibt es nur unser eigenes Arbeits-Tool, im Idealfall wird es zum Standard-Tool für den Markt.
Der Folgeeffekt für Euch wäre natürlich gewaltig.
FLORIAN SCHWEITZER: Richtig. Aber noch viel mehr begegnen wir damit der Situation, dass wir pro Woche ein bis zwei Cases haben, bei denen man 100.000 bis 300.000 Euro investieren kann in Runden, die super strukturiert sind. Damit sind sie für uns heute aber zu klein, um die ganze Maschine anzuschmeißen. Und für solche Fälle möchte ich diese Plattform haben.
Und ein Blick zurück: Was sind Eure wichtigsten Meilensteine und Weichen, die gestellt wurden?
FLORIAN SCHWEITZER: Das beginnt sicherlich im Jahr 2000 mit den Angels, die auf mich zugekommen sind, als ich noch Student war. Und auch, dass die Universität St. Gallen uns den Freiraum gegeben hat, diese Konferenz zu organisieren. Für b-to-v waren vor allem zwei Situationen entscheidend: Dass uns 2002 der Gründer von Logitech in einer verzweifelten Situation – wir waren faktisch im Konkurs – noch einmal 300.000 Schweizer Franken nachgeschossen hat und damit zwei Firmen, nämlich Umantis und b-to-v, zum Erfolg verholfen hat. Das war sehr mutig. Und dann 2003 die Initiierung des b-to-v Investorenkreis zusammen mit Alexander Grünwald und Max Burger, die ihre Freunde mit eingeladen haben. In der konstituierenden Sitzung hat dann Joachim Schoss, der Autoscout-Gründer, die Gruppe überzeugt, dass b-to-v von den Angels und nicht von den Startups bezahlt werden sollte, um somit im Wettbewerb zu traditionellen VCs nicht systematisch schlechter positioniert zu sein. Das waren für uns Game Changer. Und der Rest ist inkrementell. Ganz viel Schweiß, Lebensfreude und ein herausragendes Team.
Das Gespräch führte Jan Thomas. Dieser Artikel erschien zuerst in Berlin Valley News 04/2015.[td_block_text_with_title custom_title=”Florian Schweitzer”]ist gebürtiger Genfer und startete während eines BWL-Studiums an der Universität St. Gallen (HSG) gemeinsam mit Kommilitonen eine Unternehmer-Organisation, aus der später b-to-v Partners AG entstand. Im Vorstand der SECA setzt er sich für die Interessen von Business Angels ein.
Name: b-to-v
Gründungsjahr: 2000
Gründer: Nicole Herzog, Philip Schnedler, Hermann Arnold, Jan Bomholt und Florian Schweitzer
Mitarbeiter: 17
Standorte: St. Gallen (Schweiz), Berlin
Service: Venture Capital
Companies: Blacklane, Linguee, finanzcheck.de
www.b-to-v.com