Greenwashing

Energiekonzerne waschen sich grün

19/03/2019
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Die Energiewende ist für Unternehmen, Bürger und Politiker einer der größten und gleichzeitig eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit. Der Bezug von erneuerbaren Energien zu einem für alle bezahlbaren Preis ist eines der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. Dies macht deutlich, dass die Energiewende nicht nur Umweltpolitik, sondern auch Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik ist. Die Energiewende ist damit ebenso sozialer wie technischer Wandel und die Partizipation und Unterstützung von Bürgern die wichtigste Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung.

„Gerade die Kleinen könnten zentrale Akteure der Energiewende werden“

Genau hier aber liegt das Problem. In Entwicklungs- und Forschungsprojekten ist die Beteiligung von Bürgern und Konsumenten für neue Energiekonzepte zwingend notwendig – trotz aller Automatisierung muss auch ein Smart Home noch von seinen Nutzern wissen, wie warm sie es am Abend gerne hätten und wann das Elektroauto geladen werden soll. Doch in vielen Energieprojekten fehlen Bürgern, die sich beteiligen wollen. So hat sich die  Debatte zur Einbindung von Bürgern und Konsumenten von einem „Warum?“ zu einem erstaunten „Wie denn nur?“ gewandelt.

 Ölpest im Golf von Mexiko: 2010 explodierte die Ölplattform Deepwater Horizon. Foto: Pixabay

Greenwashing als Hemmnis für die Energiewende

Ein zentraler Grund für die mangelnde Beteiligung ist die Skepsis der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Energiekonzernen. Vielen dürften noch die grüne Einfärbung des BP-Labels und die kurz darauf folgende Explosion der Deepwater Horizon-Ölbohrplattform im Golf von Mexiko in Erinnerung sein. In deren Folge wurde das (mangelnde) Umweltengagement von BP medial diskutiert – und der Widerspruch zu BPs Eigendarstellung als grünes Unternehmen mehr als deutlich.

Ein ebenso prominentes PR-Debakel ist der Energieriese von RWE: Vor gut zehn Jahren ließ RWE im Vorfeld von Kinofilmen wie Harry Potter einen grünen Riesen über die Leinwand laufen, der das Engagement des Konzerns im Bereich erneuerbare Energien aufgezeigt sollte. Der Riese pflanzte Windräder, baute Ladestationen für Elektroautos und Gezeitenkraftwerke. Greenpeace veröffentlichte daraufhin eine kommentierte Version des Videos und verwies darauf, dass zum damaligen Zeitpunkt die Gezeitenkraftwerke von RWE nur auf dem Reißbrett existierten und Windkraftanlagen nur 0,1% des RWE-Kraftwerkparks ausmachten. Auch gut ein Jahrzehnt später zeigen die kritischen Kommentare unter dem Video bei YouTube anschaulich ein generelles Misstrauen gegenüber den Stromkonzernen.

Die negativen Folgen von Greenwashing oder Keiner glaubt mehr keinem

Es ist dieses durch Greenwashing-Kampagnen mindestens in Teilen auch selbst erzeugte Misstrauen der Bevölkerung gegen die Energiekonzerne, das zu einem Problem der Energiewende wird. Die Konsumenten fühlen sich hintergangen. Während einige von ihnen dieses Misstrauen anspornt sich eine neue, selbstbestimmte Rolle in der Energielandschaft der Zukunft zu sichern, zum Beispiel in Form von Energiegenossenschaften, hat es auf viele Konsumenten den gegenteiligen Effekt.

Das Gefühl nichts ändern zu können und keinen eigenen Handlungsspielraum zu haben, führt zu Passivität – so empfinden zum Beispiel viele den Wechsel zu grünem Strom als sinnlos, da sie glauben, doch nur getäuscht zu werden. Und wie eine aktuelle Studie von Lichtblick zeigt, liegen oftmals vielfach höhere CO2-Emissionen vor als die Stromanbieter in ihren Tarifen angeben. Das lässt Erinnerungen an den Dieselgate wach werden und schürt das Gefühl von Machtlosigkeit und ständigem Misstrauen bei den Konsumenten weiter.

Gerade in dem ständigen Misstrauen liegt aber auch eine Gefahr: Aktuelle Studien zeigen, dass selbst wenn Unternehmen sich jetzt vermehrt engagieren (sollten), die Bemühungen häufig von den Konsumenten – nicht für immer, aber doch für einige Zeit – unter einem Berg anfänglicher Skepsis verborgen bleiben würden.

Eine Chance für Startups und kleine Unternehmen

In der Frage der Glaubwürdigkeit von Energieunternehmen liegt aber auch gerade im Energiemarkt eine Chance für Startups und kleine Unternehmen sich am Markt zu etablieren und zur Energiewende beizutragen. Konsumenten bringen dem Engagement kleinerer Unternehmen grundsätzlich mehr Vertrauen entgegen. Startups haben die zusätzliche Chance eines frischen Starts, unbelastet von Beteiligungen an alten Prozessen und den negativen Erfahrungen von Konsumenten. Damit könnten gerade die Kleinen, unterstützt durch einen Prozess der Dezentralisierung im Energiemarkt, zentrale Akteure der Energiewende sein.

Und tatsächlich gibt es viele spannende Gründungen im Bereich Energie, wie etwa das schwedische Startup Local Life, das sich zum Ziel gesetzt hat lokale soziale Netzwerke aufzubauen. Diese sollen dann auch Raum für Diskussionen zu Energieverhalten und  Energiezukunft geben – vertrauensvoll von Nachbar zu Nachbar. 

Paula Bögel
beschäftigt sich in ihrer Forschung mit Akteuren in sozio-technischen Transformationsprozessen wie der Energie- und Verkehrswende. Sie fragt sich zum Beispiel, warum immer noch so wenig Elektroautos verkauft werden, wie man Menschen für Energiesparen begeistern kann und welche Auswirkungen unser Selbstbild und die Rolle des Autos darin auf die Entwicklung der Verkehrswende insgesamt hat. Sie hat Psychologie und BWL studiert und arbeitet nach ihrer Promotion aktuell als Wissenschaftlerin am Royal Institute of Technology (KTH) in Stockholm und an der Leuphana Universität Lüneburg.